Sonntag, 10. Januar 2016

Nicht jedes Pferd mag gestreichelt werden ...

Gib dem Pferd, was es braucht und es gibt Dir, was Du willst 


Mit diesem Zitat von Linda Parelli möchte ich folgende Fallgeschichte einleiten, die ebenfalls im Blog der 12 Oaks Ranch vor ziemlich genau einem Jahr erschienen ist:

Das Pferd Ella (Name geändert) kenne ich seit Herbst 2014 und sie wirkte immer aufgeweckt, kooperativ und eigentlich auch recht selbstbewusst. Nach Weihnachten war sie ganz anders und ich habe sie kaum wieder erkannt. Auch ihre Besitzerin S. war ratlos, weil sich die Änderung auch auf die Beziehung ausgewirkt hatte. Wir hatten nach Weihnachten schon ein wenig Catching Game nach Parelli gespielt mit eher mäßigem Erfolg. Am Samstag haben wir das Catching Game daher etwas abgewandelt und haben versucht S. für ihre Stute zum angenehmsten Ort auf der Welt zu machen:


S. stand in einer Ecke der kleinen Halle und immer wenn Ella dort vorbei trabte oder galoppierte, habe ich mich ganz ruhig verhalten und immer wenn Ella in einer der drei anderen Quadranten der Halle war, habe ich etwas mit dem Stick rumgefuchtelt und ein bisschen Druck gemacht. Es dauerte nicht lange und Ella ging tatsächlich zu S., die ihr Pferd streicheln wollte, was sofort dazu führte, dass Ella sich zurückzog. Da Kommunikation immer gegenseitig sein muss, habe ich vorgeschlagen, dass S. sie nicht streichelt und sich ganz ruhig verhält, wenn das Pferd zu ihr kommt. Auch die Ecke haben wir geändert, damit Ella sieht, dass nicht der Ort, sondern ihre Besitzerin der angenehme Ort ist. Nachdem S. einfach nur passiv da stand, hat Ella mit ihrer Nase Kontakt zu S. aufgenommen. Das war so wunderschön anzusehen, dass ich schon fast einen kleinen Kloß im Hals hatte. Wir haben dann einfach akzeptiert, dass Ella nicht angefasst werden möchte und ganz vorsichtig und mit Annäherung und Rückzug einen Ort gefunden (unter dem Hals), wo sie es nicht nur ertragen konnte, sondern auch schön fand.
Nun war gerade einmal eine halbe Stunde um und mein Unterricht geht ja immer 60 Minuten. Um Ella nicht das Gefühl zu geben, dass sie sofort arbeiten muss, sobald sie zu ihrer Besitzerin geht, was ja kontraproduktiv wäre, haben wir beschlossen Theorie zu machen und ein wenig übers Pferd zu sprechen. S. hat überlegt, ob sie vielleicht zu viel auf einmal von Ella verlangt hat: Reiten auf dem Reitplatz mit Stellen und Biegen war relativ neu, weil das im alten Stall mangels Reitplatz nicht ging und die sieben Spiele nach Parelli kamen ja jetzt auch noch neu hinzu. Ich fand es toll, dass S. sich diese Gedanken macht und habe ihr gesagt, dass sie alle ihre Ziele verwirklichen wird, aber vielleicht einfach das große Paket in kleinere Päckchen aufteilen solle. Denn oft kommt man schneller zum Ziel, als wenn man zu geradlinig aufs Ziel zusteuert.
Dann sprachen wir darüber, wie Ella sich auf der Weide verhält. Im alten Stall war Ella ganz und gar rangniedrig und die anderen haben sie oft nicht ans Futter gelassen. Im neuen Stall verhielt sich Ella dann anderen Pferden gegenüber sehr aggressiv, als hätte sie sagen wollen: "Ich will nie wieder hungern." S. erzählte mir, dass Ella immer alleine steht auf der Weide und, dass sie nur eine einzige Freundin habe. Und weil die Pferde im Winter ja eher auf Paddocks stehen als auf Weiden, wurden die beiden Pferde-Freundinnen im Dezember getrennt. Genau der Zeitpunkt, als die Verhaltensänderung bei Ella eingetreten ist. Für mich war es jedenfalls klar: "That's it." Hoffentlich ist bald Sommer und Ella bekommt ihre beste Freundin zurück - wobei bis dahin ist es wahrscheinlich eh die zweitbeste Freundin geworden: Denn jetzt ist ja S. für ihr Pferd zum angenehmsten Ort auf der ganzen Welt geworden.

Es ist ja nicht jedes Pferd gleich: Unsere Paints mögen diese gehauchten Streicheleien nicht, sondern werden lieber gekratzt und geschrubbt: 




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