Sonntag, 3. Januar 2016

Die Gedanken sind eben doch nicht frei

Früher hat man in Reitställen eigentlich eher gesehen, dass Menschen zu hart mit ihren Pferden sind, heute sehe ich auch oft das Gegenteil. Es ist so viel von positiver Verstärkung die Rede, dass sich niemand mehr traut, seinem Pferd Grenzen zu setzen. Das erinnert mich manchmal an die in den 70er Jahren populäre anti-autoritäte Erziehung von Kindern, die ja auch zuweilen ganz schön ausgeufert ist. Deswegen muss man heute vielen Leuten erst einmal beibringen, ihren Pferden auch mal Grenzen zu setzen oder auch einen gewissen Gehorsam einzufordern, denn es gilt der Grundsatz "Safety First" und man darf auch einmal verlangen, dass das Pferd einen Job macht. Also ist mein Grundsatz immer "Weg von Extremen - Hin zum Mittelweg". Dennoch macht das Stichwort "Positiv" sehr viel Sinn für mich, aber in einem ganz anderen Zusammenhang - nämlich eher im Hinblick auf meine Gedanken, Gefühle und meine Energie. Denn wenn ich mein Pferd schubse, dann mache ich das so spielerisch, dass keine negative Energie fließt und ich versuche auch diese 80:20 Regel einzuhalten. 80 Prozent Lob und 20 Prozent Kritik oder Grenzen setzen, wie auch immer man es nennen will.
Hierzu möchte ich eine kleine Geschichte erzählen von einer Schülerin, die auch erstmal lernen musste, sich ihrem Pferd gegenüber durchzusetzen und im zweiten Schritt auch lernen musste, auf die eigene Energie zu achten.


Als ich das letzte Mal bei ihr war, überlegte sie, ob sie ihr Pferd verkaufen soll (was man darf). Der Grund war, dass das Pferd (nach einem Sturz vor ein paar Monaten) auf der Weide nicht mehr zu ihr kommt. Während sie mir das erzählte, lief das Pferd frei auf dem Reitplatz. Ich wollte der Kundin das Catching Game nach Parelli zeigen, wo man das Pferd treibt, wenn es sich abwendet und die Menschen rückwärts gehen, wenn das Pferd den Menschen den Kopf zuwendet bzw. noch besser beide Augen. Aber das Pferd wandte sich uns einfach nicht zu. Also habe ich der Kundin gesagt, dass ich es mal alleine versuche. Sie stand außerhalb und ich erwischte einen Mini-Versuch des Zuwendens vom Pferd und ging rückwärts, das Pferd folgte. Darauf kam die Besitzerin in den Reitplatz und erzählte mir, dass sie schon so viel Mühe und Arbeit ins Pferd gesteckt hat und trotzdem muss sie auf der Weide immer nach ganz unten gehen, um es zu holen. Das Pferd, das ja auf dem Weg zu uns war, blieb sofort stehen. Ich sagte der Besitzerin, dass es wohl besser wäre, das jetzt nicht zu erzählen, wenn das Pferd dabei ist. Die Besitzerin sagte: "Ja, glaubst Du denn, es versteht, was ich sage?" Ich erklärte ihr, dass das Pferd nicht die Worte versteht, aber die Energie, vielleicht sogar die Bilder, die ein Mensch ausstrahlt. Ich fand das so faszinierend, dass ich selbst verblüfft war, denn das Ganze: Pferd steht, wenn man es kritisiert, sich noch zwei, dreimal wiederholte. Aber immer wenn sowohl ich als auch die Besitzerin positiv dachten, fühlten (und redeten), dann näherte sich das Pferd wieder.

Dieses Fallbeispiel ist ursprünglich vor exakt einem Jahr hier erschienen:

http://www.12oaks-ranch.de/best-of/januar/

Das Schönste dieses Monats war:



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