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Anlass für diesen Blogbeitrag war aber, dass nach dem Tod vonn Evita bei einem Kurs von Peter Pfister fast jeder auf Facebook behauptet hat, er wäre eingeschritten, aber da gibt es bessere Wege, um nicht nur das Leben eines Pferdes zu retten, sondern insgesamt ein Umdenken zu bewirken.
Wenn man wirklich Zivilcourage beweist, gibt es viele Wege, einem wenig pferdegerechten Training entgegenzutreten. Die Reitbeteiligung von Evita hat z.B. Beweismaterial gesichert, in dem sie das fragwürdige Training mit anderen Pferden gefilmt hat - von einer anderen Teilnehmerin wurden die Minuten vor Evitas Tod gefilmt. Uwe Jourdain hatte die Zivilcourage, diese Videos öffentlich zu machen und an Zeitungen und Tierschutzvereinigungen zu übermitteln und manche Menschen (ich z.B.) bloggen oder machen React-Videos, um auf Missstände hinzuweisen. Jetzt sollte man ja meinen, dass genau diese Unmengen von Leuten, die dem Trainer unter Einsatz ihres Körpers das Pferd aus der Hand geschlagen hätten, sowohl das Filmen als auch das Veröffentlichen, das Bloggen und die React-Videos bejubeln würden. Pustekuchen, denn dann ist das ja etwas völlig Anderes und man findet immer einen Grund, warum man ausgerechnet jetzt eben keine Zivilcourage haben soll, z.B. weil man keine Ahnung hat, aber noch viel schlimmer ist es, wenn man denn Ahnung hat. Dann heißt es leben und leben lassen - es sei denn, es geht um ein Pferd. Das Pferd soll man dem Trainer also aus der Hand schlagen, aber bloß nichts an die Öffentlichkeit kommen lassen - hä? Handgreiflich werden ist okay, aber die Wahrheit aufzeigen nicht? Genau die geht der Facebook-Meute zu weit, was der aktuelle Fall beweist. Uwe Jourdain wurde von manchen zum Täter erklärt, dessen einziges Ziel es sei, den Ruf von Pfister zu zerstören. Er wäre nur neidisch, wolle sich profilieren und verfolge eigene finanzielle Interessen. Können diese Facebook-Nutzer eigentlich Gedankenlesen? Niemand weiß doch, was Jourdain motiviert, außer er selbst.
Ein Pferd in Not: Die sieben Minuten vor Evitas Tod sind HIER zu sehen |
Und: Fällt Euch was auf? Es sind genau die Argumente, die man von Fans der VOX-Pferdeprofis zu hören bekommt. Kommt nicht auch mal irgendwer auf die Idee, dass man seine Kritik ehrlich meint und deswegen allen Mut zusammen nimmt, um zu sagen: "Das was hier oder da passiert ist, darf kein zweites Mal passieren"? Hat man wirklich finanzielle Vorteile, wenn man Zivilcourage beweist und Missstände öffentlich macht? Wohl kaum: Das Gegenteil ist der Fall, denn man wird umgehend Opfer einer Hetzkampagne, durch die man eher Kunden verliert als Kunden gewinnt. Und wenn man dann doch dieses Risiko eingeht, dann nur, weil man das, was man beanstandet, so derartig schrecklich findet, dass man denkt: "Selbst wenn es mich Kopf und Kragen kostet, ich sag da was zu." Wenn man aber selbst vom Metier ist, dann kommt postwendend der Vorwurf der Kollegenschelte. So eine Art Kodex, den man sonst nur bei den Piraten findet, die "Parler" plappernd auf der Suche nach Flüchen und Schätzen durch die Karibik schippern. Ich glaube den Kollegenschelte-Kodex gibt es auch wirklich nur im Pferdebereich: In allen anderen Bereichen werden Gutachter für Kollegenschelte bezahlt, weil man sie Sachverständige nennt.
Von allen diesen Totschlagargumenten kann gerade ich ein Lied singen, denn ich habe es gewagt, den "großen" Bernd Hackl zu kritisieren - wie viele andere auch. Die meisten anderen wurden mit dem Argument abgespiesen, sie hätten ja keine Ahnung von Pferden. Hatten sie aber Ahnung vom Metier wie z.B. Martin Plewa (Ausbilder und ehemaliger Bundestrainer bis Olympia), der sich in der Reiterrevue entsetzt über die Sendung geäußert hatte, dann kennt er sich ja im Westernreiten nicht aus und im Horsemanship schon mal gar nicht (für mich als Westernreiter ist Plewa sehr wohl ein Horseman, aber dies nur am Rande). Also sitzt man da als geschockter Zuschauer und wartet darauf, dass endlich mal jemand "vom Fach" etwas zum Tun und Treiben der VOX-Pferdeprofis sagt - tat aber keiner.
HIER geht's zum Blogbeitrag mit Hintergründen zum Urteil |
Und wie ist es, wenn sich keiner meldet? Es bleibt mal wieder an mir hängen, frei nach dem Motto "Einer muss es ja machen" und auch wenn ich weder eine Koryphäe im Westernreiten bin und eher im Mittelfeld der Leistungsklasse 2 der EWU herumdümpel, habe ich zumindest ein gutes Anschauungsbeispiel mit meiner Tochter (Deutsche & Landesmeisterin) und die schaut die Sendung auch. Gut in der Theorie wissen Hackl und Schneider auch wie es aussehen sollte, aber sie reiten keine Turniere, weil sie das "Böse" ja nicht unterstützen möchten - bei mir immer ein Indiz dafür, dass man noch nicht einmal den berühmten Blumentopf gewonnen hat. Denn ansonsten könnte man wenigstens mal in der Anfängerklasse mitreiten auf Turnieren und allen zeigen, wie Turnierreiten eben auch pferdegerecht geht. Das machen 80 Prozent der EWU-Reiter ja schließlich auch und man reitet ja als Pferdeprofi im Endeffekt doch Turniere: nämlich Turniere der Nicht-Turnierreiter: Trainer Contest und Mustang Makeover.
Auch wenn ich als Westernreiter nur im Mittelfeld zuhause bin: Im Natural Horsemanship kenne ich mich besser aus, weil ich mich jahrelang intensiv damit beschäftigt habe (übrigens mit allem, was sich da so Horsemanship schimpft) und auch gut mit Kundenpferden klar komme - auch schwierigen. Obwohl aber Parelli den Begriff "Natural Horsemanship" geprägt hat, soll das nach Aussage der Pferdeprofis-Fans (und Fakes?) nichts bedeuten und schwupps die Gegenfrage gestellt: Bin ich eigentlich Instruktorin? Nein ... setzen sechs - auf gut Deutsch: Klappe halten. Wäre ich aber Instruktorin, dann dürfte ich da wohl auch kein Wort zu sagen, denn auch bei Parelli gibt es eine Art Kodex: Egal wie schlecht ein anderer Trainer ist; Instruktoren kritisieren andere Trainer nicht. Bei Trainern mit DOSB-Lizenz gibt es einen ähnlichen Kodex, der richtig und wichtig ist. Aber was ist wenn (theoretisch) ein Scharlatan ins TV kommt, dann darf den keiner kritisieren? Anfänger nicht, Sachverständige nicht, Kollegen nicht, Instruktoren und Leute mit Trainerschein schon mal gar nicht? Es bleibt am Ende keiner mehr übrig, was Betrügereien Tür und Tor öffnet. Und wenn sich die Nadel im Heuhaufen findet (ergo: jemand mit Ahnung, aber ohne Schein), dann wirft man ihm an den Kopf, dass jeder das anders macht und fordert "Leben und leben lassen".
Auch in diesem Buch geht es um Zivilcourage & moderne Hexenprozesse (Links unten) |
Aber Moment mal - Leben lassen? Das Pferd Evita ist tot, auch das Buck-Brannaman-Pferd ist tot, das war nicht so brav, sondern hat sich gegen die beiden Menschen, die sich Horsemen nennen, zur Wehr gesetzt. Zu Recht, denn es wurde am Hinterbein gefesselt, damit man es reiten kann. Wie in der Pferdewelt oft üblich, wurde es als Widersetzlichkeit ausgelegt. Und als das Pferd sich weiterhin gegen die Brachialgewalt widersetzte (wer will es ihm verdenken?), obwohl es sich in der Eingangsszene seiner Besitzerin gegenüber zugänglich und sogar verladefromm zeigte, wurde aus heiterem Himmel ein Hirnschaden als Erklärung aufgetischt und das wurde geschluckt: Von den Teilnehmern und vom Facebook-Klientel, das argumentiert, dass man nicht jedes Pferd reiten kann. Ja, aber darf man denn jedes Pferd töten, das man nicht reiten kann? In Deutschland darf man das nicht, in den USA anscheinend schon, wo ja eigentlich das Schlachten von Pferden verboten. Aber ich schweife ab und fasse daher zusammen:
- Wer Pfister nicht das Pferd aus der Hand klatscht, der ist Mitschuld mangels Zivilcourage. Aha. Wer auf andere Weise Zivilcourage beweist, indem er etwas öffentlich macht, hat hingegen eine Profilneurose. Kenne ich von Hexenprozessen im Mittelalter: Wenn die Hexe versank, dann war sie unschuldig und tot - überlebte sie jedoch, dann war sie eine Hexe und wurde im Nachgang im Feuer verbrannt: auch tot.
- Wenn ein Pferd versucht, sich Pfister durch Steigen zu entziehen, dann schreit die Facebook-Meute Vergewaltigung - wenn ein Brannaman Pferd Ähnliches durch Buckeln und Beißen ausdrückt, dann hat es einen Hirnschaden - auch wenn es damit seit drei Jahren hervorragend zurecht kommt. So hervorragend, dass es sich sogar effektiv und treffsicher wehren kann.
- Bei den VOX-Pferdeprofis gelten völlig andere Regeln, denn wenn die nichts drauf hätten, dann wären sie ja wohl nicht im Fernsehen. Und es ist auch völlig irrelevant, dass Rütter, der Produzent, der die beiden ausgewählt hat, noch weniger Ahnung von Pferden hat.
- Wenn bei Pfister ein Pferd steigt, dann sind alle Feiglinge, die das nicht verhindern, wenn beim Hackl ein Pferd tritt, weil es Kissing Spines hat (Future) und Hackl nicht kleinschrittig arbeitet (Gurt, Pad, Trallala), dann liegt es am Pferd. Das kennen wir vom Schwimmen: Wenn das nicht klappt, dann liegt es ja auch immer an der Badehose. Bei Future war es natürlich irgendwie peinlich, dass das Pferd nur ein oder zwei Tage nach dem misslungenen Beritt mit der Besitzerin brav an der Doppellonge herum dackelte, wo doch Hackl behauptet hat, mit DIESEM Pferd würde es Jahre dauern, aber Schuld waren natürlich die Vorbesitzer. Es liegt ganz sicher nicht an Hackls Ich-Chef-Du-Nix-Mentalität - klar soweit?
Noch besser wäre es natürlich, wenn die Fachpresse ihre Aufgabe erfüllt. Denn die ist vierte Gewalt im Staat und hat eine Kontrollfunktion. Was aber beim Fall Pfister ins Auge fiel, war, dass die erste Zeitschrift, die Pfister quasi ein Forum gab, der HORSEMAN war - eine Zeitung, bei der Hackls Freund Tom Büchel Herausgeber und Chefredakteur ohne Redakteursausbildung ist und für den Hackl Youtube-Werbung macht. Wenn einem dann Gerüchte zugetragen werden, dass die Freundin vom Tom Büchel beim Kurs war ... aber das lest ihr besser selbst:
Wie ist das eigentlich mit der Zivilcourage, wenn die Presse ihre Kontrollfunktion nicht mehr wahrnimmt? Wer hat denn die Kontrolle über die, die die Aufgabe haben zu kontrollieren, investigativ berichten und Missstände aufdecken sollen?? Und jetzt endlich schließt sich der Kreis: Wenn es kein anderer macht, dann müssen wir es tun - durch Filmen, Veröffentlichen, Bloggen oder React-Videos. Doch eines sollten wir auf keinen Fall tun: Jemandem ein Pferd aus der Hand schlagen, denn damit setzen wir uns ins Unrecht, machen unsere Kritik unglaubwürdig und schaden der guten Sache mehr als wir ihr nützen.
Mehr Satiren und Tipps zum Pferdetraining gibt es in meinen Büchern:
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