Fleischfresser & Vegetarier oder gibt es doch Gemeinsamkeiten?
Mein Pferd, Welsh Cob D-Stute, steht in einer Herde mit 2 Haflingerstuten, davon eine ehemalige Zuchtstute, einem Haflingerwallach, 30 Jahre alt, einer Haflinger-Appaloosa-Mix-Stute, einer deutschen Classic Pony-Stute und einer Hannoveranerstute.
Wie in jeder
anständigen Herde gibt es auch hier eine Arbeitsaufteilung, je nach
Fähigkeit und Charakter der einzelnen Tiere.
Die
Hannoveranerstute hat den Job des Wächters übernommen. Passt
perfekt zu ihrem Interieur, da sie vom Grunde her eher ein nervöser
Typ ist, sicherheitsbedürftig und recht schnell frustriert.
Ihr Pendant,
quasi die Bewerterin der Meldungen, ist die Haflingerstute die früher
in der Zucht eingesetzt wurde. Sie ist ein gesetzter Typ,
selbstsicher durch ihre Lebenserfahrung. Die zweite Haflingerstute
ist stoisch im Typ, nicht schreckhaft oder sensibel. Ihr Bestreben
ist es dabei zu sein, damit gibt sie sich in ihrer Genügsamkeit
gerne zufrieden. In ihrer Trägheit verfolgt sie auch keine höheren
persönlichen Ziele, die mit Arbeit und Verantwortung einhergehen
würden.
Meine
Cob-Stute ist mit ihren drei Jahren die Jüngste im Bunde. Sie
übernimmt noch keine große Verantwortung in der Gruppe, sondern
genießt den Schutz, der ihr angeboten wird. Vom Typ her neugierig und
sensibel ruht sie in der Mitte und ist ein gern gesehener Kraul- und
Pflegepartner.
Der alte
Wallach hält sich gerne in der Nähe dieses Herdenkerns auf, er
flankiert regelrecht die Stuten. Die Stuten dulden ihn und gewähren
ihm damit Herdenschutz. Er ist wenig an Interaktionen beteiligt,
zeigt selbst jedoch auch kein Bestreben, sich einen Aktivposten zu
erarbeiten.
Meist abseits
dieses Kerns befindet sich das Partner-Duo aus der kleinen Ponystute
und der Appaloosa-Mix-Stute. Die beiden sind eine eigene Einheit, die
aber trotzdem mit den anderen eine Herde bilden. Beide sind vom Typ
her mutig, offensiv, selbstsicher und haben in der Herde den
Beschützerposten inne.
Damit sind
alle lebenswichtigen Posten und Aufgaben verteilt.
Im Spätsommer haben wir May an den Reiter gewöhnt - unten gibt es eine Playlist |
Ich stand
also neben meiner Stute als der Wachtposten (Hannoveraner) mit einem
Wiehern Alarm schlug. Sofort danach kam die Antwort der gesetzten
Haflingerstute (lebenserfahrene Mutter): „Ok, wahrgenommen.
Schlimm?“, Antwort Wachtposten: “Nein, eine von uns.“. Ruhe.
Unten am Weidetor wurde das kleine Pony nach einem Ausritt wieder
eingelassen und machte sich zielstrebig auf die Suche nach ihrer
Partnerin, der Mix-Stute. Der Wachtposten war, um die „Gefahr“
besser beurteilen zu können, an den äußeren Herdenkern getreten
und damit dem Pony entgegen. Das Pony, dem Wachtposten keine
Beachtung schenkend, erklomm zielstrebig den Hügel. Als Pony und
Wachtposten noch ca. 20 m voneinander getrennt waren, begann das Pony
den Wachtposten offensiv zu fixieren, woraufhin der Wachtposten
sofort stehen blieb. Das Pony kam auf 10 m heran und blieb stehen,
den Wachtposten fixierend. Daraufhin senkte der Wachtposten den Kopf.
Das Pony, seiner Wirkung bewusst, hob den Schweif, ging in die Hocke
und pinkelte. Mit festem Blick auf den Wachtposten.
May mit Haflinger auf der Weide |
Jedenfalls
inspizierte das Beschützer-Kämpfer-Pony die Genitalien von
Wachtposten und arbeitete sich dann bis zur Nase vor. Wachtposten,
ganz vorsichtig, grüßte ebenfalls über die Nase. Das Kampf-Pony,
um seiner Autorität nochmals Nachdruck zu verleihen, begann zu
quietschen und legte die Ohren an. Drehte sich um und verließ
Wachtposten um sich selbstsicher durch die komplette Gruppe der
anderen Pferde hindurch, seiner Gefechtspartnerin, der
Appaloosa-Stute, zu nähern.
Nun, wo
wollen wir hier den Bezug zu den Hunden herstellen?
Wie bei den
Pferden gibt es auch bei den Hunden Tiere mit unterschiedlichem
Charakter und Fähigkeiten. Hält man mehrere Hunde im Rudel zusammen, kann man dasselbe beobachten wie bei unseren Pferden. Es gibt
verschiedene Aufgaben innerhalb der Gruppe die besetzt und ausgefüllt
werden müssen.
- Futtersuche
- Wachen
- Verteidigen und schützen
- Nachwuchs produzieren und aufziehen
- Bindungen pflegen.
Larissa hilft beim Einreiten: Erstmal kennenlernen |
Jedes sozial
hochentwickelte Tier hat das Bestreben Teil einer Gruppe zu sein, da
dieser Zusammenschluß seine Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht.
Dominanz
lässt sich definieren als eine Befähigung andere zu bewegen und in
ihrer Bewegung einzuschränken. Siehe Wachtposten und Gefechtspony
aus unserem Besipiel. Damit erhält die dominante Person zwangsläufig
Attribute und Aufgaben. Die dominante Person ist immer eine Person, die Verantwortung übernimmt. Die dominante Person ist immer eine
steuernde Person.
Da es
unmöglich ist, für eine einzelne Person alle Fähigkeiten zu
besitzen um die oben genannten Kernaufgaben zu erfüllen, haben wir
also dominante Persönlichkeiten Kernaufgaben. Und je nach Situation
ist die eine Aufgabe wichtiger als eine andere. Die dominanten
Persönlichkeiten in einer Gruppe lassen sich also nach diesem Muster
identifizieren.
In unserem
Beispiel sind die dominanten Persönlichkeiten der Herde das kleine
Pony und die gesetzte Haflingerstute (ehemalige Zuchtstute). Es gibt
Charaktere, die so breit aufgestellt sind, dass sie in der Lage sind, möglichst viele Aufgabenteile zu bedienen: Dies sind die Dominanten.
Und im Gegensatz zum Tyrann, der seine Herrschaft mit Gewalt
durchsetzt, ist der Dominante ein wertvolles, steuerndes,
verantwortungsbewusstes Mitglied einer Gruppe mit dem Ziel für alle
das Überleben zu sichern.
Um den Bogen
zurück zu den Hunden zu schlagen, hier noch ein Beispiel:
Nicht wild, aber Wildnis im Garten |
Allesamt
haben sich dominante Tiere verpaart, die in unterschiedlichen
Aufgabenbereichen ihr Können bewiesen haben.
Bei jagenden
Tieren kommt nun noch eine wesentliche Aufgabe hinzu: das
Kundschaften und Finden.
Während die
Fähen mit den Jungen in ihrem Bau verbleiben, macht sich der Rest
zur Jagd auf. Sie streunen gemeinsam durch die Gegend, das heißt sie
kundschaften (suchen). Hat einer erfolgsversprechende Fährte
aufgenommen gibt er Signal an den Rest und die Jagd geht in Phase
zwei über: das Finden. Wird das Beutetier gefunden startet Phase
drei: Verfolgen. Phase vier ist das finale Reißen und Töten. Reißen
und Töten will gekonnt sein, gehört aber für Beutegreifer zur
obligatorischen Fähigkeit. So reißt und tötet der, der am besten
dran ist.
Die
Jagdgruppe kommt zum Riß, auch der dominante/n Rüde/n und oder die
dominante/n Fähe/n. Was passiert? Stürzen sich die dominanten Tiere
auf den Riß?
Nein. Die
dominanten Tiere lassen vorerst die anderen fressen. Sie sind es, die
bestimmen, wann das Fressen gestoppt wird. Schließlich müssen sie
selbst auch fressen und die Daheimgebliebenen versorgen.
Bei beiden
Spezies, den Caniden und den Pferden, können wir also dasselbe
Muster erkennen. Aber, verstehen sich Hund und Pferd?
Die Gastautorin Bianca mit ihrem Sohn |
Unser
nervöser Wachtposten beobachtet auf ca. 300 m Entfernung eine Gruppe
Menschen, die sich der Weide entlang eines Weges nähern. Unsere
Hannoveranerstute schlägt pflichtgemäß an und wiehert. Antwort der
gesetzten Mutterstute: erhobener Kopf; Reaktion Wachtposten: Blick in
Richtung der Menschen und nochmaliges Wiehern. Reaktion gesetzter
Haflinger-Mutterstute: Kopfdrehen Richtung Menschen. Reaktion Hund: Beim ersten Warnen des Wachtposten steht der Hund auf und folgt dem
Blick vom Wachtposten Richtung Menschen. Nach der Reaktion der
gesetzten Haflinger-Mutterstute setzt sich der Hund in Richtung
Gefahr in Bewegung. Nach dem zweiten Wiehern von Wachtposten verfällt
der Hütehund in den typischen „Duck-trab“ (Hund duckt sich tief,
ähnlich einer schleichenden Katze) und trabt mit fixierendem Blick
Richtung Menschengruppe.
Als die
gesetzte Haflingermutterstute sieht dass der Hund sich um das Problem
kümmert, gibt sie an alle Entwarnung.
Hunde und
Pferde sind also in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der
Lage die Sprache des anderen zu lernen. Wir auch?
Bianca
Kierspel, Verhaltensbiologin und Hundetrainerin
In eigener Sache: Ich hatte es ja schon am Wochenende angekündigt - heute beginnt das 12-Oaks-Adventsspiel. Die erste Frage habe ich eingestellt und freue mich über jeden, der mitmacht: http://www.12oaks-ranch.de/news/ Gruß Nicola
HIER IST DIE PLAYLIST VON MAYS EINREITEN BZW. DER VORBEREITUNG - darunter noch mehr Bilder:
In eigener Sache: Ich hatte es ja schon am Wochenende angekündigt - heute beginnt das 12-Oaks-Adventsspiel. Die erste Frage habe ich eingestellt und freue mich über jeden, der mitmacht: http://www.12oaks-ranch.de/news/ Gruß Nicola
HIER IST DIE PLAYLIST VON MAYS EINREITEN BZW. DER VORBEREITUNG - darunter noch mehr Bilder:
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