Donnerstag, 1. Dezember 2016

Gastbeitrag zu Hunden & Pferden

Fleischfresser & Vegetarier oder gibt es doch Gemeinsamkeiten?




Mein Pferd, Welsh Cob D-Stute, steht in einer Herde mit 2 Haflingerstuten, davon eine ehemalige Zuchtstute, einem Haflingerwallach, 30 Jahre alt, einer Haflinger-Appaloosa-Mix-Stute, einer deutschen Classic Pony-Stute und einer Hannoveranerstute.
Wie in jeder anständigen Herde gibt es auch hier eine Arbeitsaufteilung, je nach Fähigkeit und Charakter der einzelnen Tiere.
Die Hannoveranerstute hat den Job des Wächters übernommen. Passt perfekt zu ihrem Interieur, da sie vom Grunde her eher ein nervöser Typ ist, sicherheitsbedürftig und recht schnell frustriert.
Ihr Pendant, quasi die Bewerterin der Meldungen, ist die Haflingerstute die früher in der Zucht eingesetzt wurde. Sie ist ein gesetzter Typ, selbstsicher durch ihre Lebenserfahrung. Die zweite Haflingerstute ist stoisch im Typ, nicht schreckhaft oder sensibel. Ihr Bestreben ist es dabei zu sein, damit gibt sie sich in ihrer Genügsamkeit gerne zufrieden. In ihrer Trägheit verfolgt sie auch keine höheren persönlichen Ziele, die mit Arbeit und Verantwortung einhergehen würden.
Meine Cob-Stute ist mit ihren drei Jahren die Jüngste im Bunde. Sie übernimmt noch keine große Verantwortung in der Gruppe, sondern genießt den Schutz, der ihr angeboten wird. Vom Typ her neugierig und sensibel ruht sie in der Mitte und ist ein gern gesehener Kraul- und Pflegepartner.
Der alte Wallach hält sich gerne in der Nähe dieses Herdenkerns auf, er flankiert regelrecht die Stuten. Die Stuten dulden ihn und gewähren ihm damit Herdenschutz. Er ist wenig an Interaktionen beteiligt, zeigt selbst jedoch auch kein Bestreben, sich einen Aktivposten zu erarbeiten.
Meist abseits dieses Kerns befindet sich das Partner-Duo aus der kleinen Ponystute und der Appaloosa-Mix-Stute. Die beiden sind eine eigene Einheit, die aber trotzdem mit den anderen eine Herde bilden. Beide sind vom Typ her mutig, offensiv, selbstsicher und haben in der Herde den Beschützerposten inne.
Damit sind alle lebenswichtigen Posten und Aufgaben verteilt.

Im Spätsommer haben wir May an den Reiter gewöhnt - unten gibt es eine Playlist
Nun zu folgender Begebenheit: vor ca. zwei Wochen besuchte ich mein Pferd auf der Weide um nach ihm zu sehen. Der Zahnarzt war zwei Tage zuvor da gewesen und hatte ordentlich gewerkelt.
Ich stand also neben meiner Stute als der Wachtposten (Hannoveraner) mit einem Wiehern Alarm schlug. Sofort danach kam die Antwort der gesetzten Haflingerstute (lebenserfahrene Mutter): „Ok, wahrgenommen. Schlimm?“, Antwort Wachtposten: “Nein, eine von uns.“. Ruhe. Unten am Weidetor wurde das kleine Pony nach einem Ausritt wieder eingelassen und machte sich zielstrebig auf die Suche nach ihrer Partnerin, der Mix-Stute. Der Wachtposten war, um die „Gefahr“ besser beurteilen zu können, an den äußeren Herdenkern getreten und damit dem Pony entgegen. Das Pony, dem Wachtposten keine Beachtung schenkend, erklomm zielstrebig den Hügel. Als Pony und Wachtposten noch ca. 20 m voneinander getrennt waren, begann das Pony den Wachtposten offensiv zu fixieren, woraufhin der Wachtposten sofort stehen blieb. Das Pony kam auf 10 m heran und blieb stehen, den Wachtposten fixierend. Daraufhin senkte der Wachtposten den Kopf. Das Pony, seiner Wirkung bewusst, hob den Schweif, ging in die Hocke und pinkelte. Mit festem Blick auf den Wachtposten.
May mit Haflinger auf der Weide
Dann ging es, mit breiter Brust und sicherem Blick, auf den Wachtposten zu, und begann mit einer Riechinspektion. Zögerlich und vorsichtig roch auch der Wachtposten am Pony. Wohlgemerkt, das Pony hat ein Stockmaß von 1 m, der Wachtposten von 1,70 m. Aber das tut wahrer Größe ja keinen Abbruch.
Jedenfalls inspizierte das Beschützer-Kämpfer-Pony die Genitalien von Wachtposten und arbeitete sich dann bis zur Nase vor. Wachtposten, ganz vorsichtig, grüßte ebenfalls über die Nase. Das Kampf-Pony, um seiner Autorität nochmals Nachdruck zu verleihen, begann zu quietschen und legte die Ohren an. Drehte sich um und verließ Wachtposten um sich selbstsicher durch die komplette Gruppe der anderen Pferde hindurch, seiner Gefechtspartnerin, der Appaloosa-Stute, zu nähern.

Nun, wo wollen wir hier den Bezug zu den Hunden herstellen?
Wie bei den Pferden gibt es auch bei den Hunden Tiere mit unterschiedlichem Charakter und Fähigkeiten. Hält man mehrere Hunde im Rudel zusammen, kann man dasselbe beobachten wie bei unseren Pferden. Es gibt verschiedene Aufgaben innerhalb der Gruppe die besetzt und ausgefüllt werden müssen.
Die Kernaufgaben jeder Gruppe von sozial hoch entwickelten Tieren sind immer gleich:

  • Futtersuche
  • Wachen
  • Verteidigen und schützen
  • Nachwuchs produzieren und aufziehen
  • Bindungen pflegen.
Larissa hilft beim Einreiten:
Erstmal kennenlernen
Eine Frage die uns Menschen ständig umtreibt und beschäftigt ist die Frage nach der Rangordnung, der Stellung, und der Dominanz der einzelnen Akteure, und damit natürlich von uns selbst. Leider verfallen wir zu oft der Vorstellung dass der Dominate ein Tyrann ist. Ja, der Tyrann hat Gewicht innerhalb einer Gruppe, einer sozialen Gesellschaft. Ja, er ist in der Lage, andere zu bewegen und in ihren Bewegungen zu stoppen. Aber der Tyrann übernimmt niemals Verantwortung.
Jedes sozial hochentwickelte Tier hat das Bestreben Teil einer Gruppe zu sein, da dieser Zusammenschluß seine Überlebenswahrscheinlichkeit erhöht.
Dominanz lässt sich definieren als eine Befähigung andere zu bewegen und in ihrer Bewegung einzuschränken. Siehe Wachtposten und Gefechtspony aus unserem Besipiel. Damit erhält die dominante Person zwangsläufig Attribute und Aufgaben. Die dominante Person ist immer eine Person, die Verantwortung übernimmt. Die dominante Person ist immer eine steuernde Person.
Da es unmöglich ist, für eine einzelne Person alle Fähigkeiten zu besitzen um die oben genannten Kernaufgaben zu erfüllen, haben wir also dominante Persönlichkeiten Kernaufgaben. Und je nach Situation ist die eine Aufgabe wichtiger als eine andere. Die dominanten Persönlichkeiten in einer Gruppe lassen sich also nach diesem Muster identifizieren.
In unserem Beispiel sind die dominanten Persönlichkeiten der Herde das kleine Pony und die gesetzte Haflingerstute (ehemalige Zuchtstute). Es gibt Charaktere, die so breit aufgestellt sind, dass sie in der Lage sind, möglichst viele Aufgabenteile zu bedienen: Dies sind die Dominanten. Und im Gegensatz zum Tyrann, der seine Herrschaft mit Gewalt durchsetzt, ist der Dominante ein wertvolles, steuerndes, verantwortungsbewusstes Mitglied einer Gruppe mit dem Ziel für alle das Überleben zu sichern.

Um den Bogen zurück zu den Hunden zu schlagen, hier noch ein Beispiel:

Nicht wild, aber Wildnis im Garten
Nehmen wir ein Rudel Wildhunde in Afrika. Das Rudel hat ausreichend Futter zur Verfügung, weswegen es sich den Luxus leisten kann, mehrere erwachsene Tiere zu beherbergen. Darunter geschlechtsreife Fähen und Rüden. Unter den Rüden konnten sich im Wettstreit um die läufigen Fähen zwei Rüden durchsetzen und die Gunst der Fähen erwerben. Drei Fähen haben Nachwuchs bekommen.
Allesamt haben sich dominante Tiere verpaart, die in unterschiedlichen Aufgabenbereichen ihr Können bewiesen haben.
Bei jagenden Tieren kommt nun noch eine wesentliche Aufgabe hinzu: das Kundschaften und Finden.
Während die Fähen mit den Jungen in ihrem Bau verbleiben, macht sich der Rest zur Jagd auf. Sie streunen gemeinsam durch die Gegend, das heißt sie kundschaften (suchen). Hat einer erfolgsversprechende Fährte aufgenommen gibt er Signal an den Rest und die Jagd geht in Phase zwei über: das Finden. Wird das Beutetier gefunden startet Phase drei: Verfolgen. Phase vier ist das finale Reißen und Töten. Reißen und Töten will gekonnt sein, gehört aber für Beutegreifer zur obligatorischen Fähigkeit. So reißt und tötet der, der am besten dran ist.
Die Jagdgruppe kommt zum Riß, auch der dominante/n Rüde/n und oder die dominante/n Fähe/n. Was passiert? Stürzen sich die dominanten Tiere auf den Riß?
Nein. Die dominanten Tiere lassen vorerst die anderen fressen. Sie sind es, die bestimmen, wann das Fressen gestoppt wird. Schließlich müssen sie selbst auch fressen und die Daheimgebliebenen versorgen.

Bei beiden Spezies, den Caniden und den Pferden, können wir also dasselbe Muster erkennen. Aber, verstehen sich Hund und Pferd?

Die Gastautorin Bianca mit ihrem Sohn
Zur Antwort noch ein kürzlich beobachtetes Verhalten: Kehren wir zurück zu unserer Herde mit Wachtposten und Co. Auf dem Hof gibt es einen Hofhund, eine Mischung verschiedener Hütehundrassen. Der Hund bewegt sich komplett frei.
Unser nervöser Wachtposten beobachtet auf ca. 300 m Entfernung eine Gruppe Menschen, die sich der Weide entlang eines Weges nähern. Unsere Hannoveranerstute schlägt pflichtgemäß an und wiehert. Antwort der gesetzten Mutterstute: erhobener Kopf; Reaktion Wachtposten: Blick in Richtung der Menschen und nochmaliges Wiehern. Reaktion gesetzter Haflinger-Mutterstute: Kopfdrehen Richtung Menschen. Reaktion Hund: Beim ersten Warnen des Wachtposten steht der Hund auf und folgt dem Blick vom Wachtposten Richtung Menschen. Nach der Reaktion der gesetzten Haflinger-Mutterstute setzt sich der Hund in Richtung Gefahr in Bewegung. Nach dem zweiten Wiehern von Wachtposten verfällt der Hütehund in den typischen „Duck-trab“ (Hund duckt sich tief, ähnlich einer schleichenden Katze) und trabt mit fixierendem Blick Richtung Menschengruppe.
Als die gesetzte Haflingermutterstute sieht dass der Hund sich um das Problem kümmert, gibt sie an alle Entwarnung.

Hunde und Pferde sind also in ihren Unterschieden und Gemeinsamkeiten in der Lage die Sprache des anderen zu lernen. Wir auch?

Bianca Kierspel, Verhaltensbiologin und Hundetrainerin

In eigener Sache: Ich hatte es ja schon am Wochenende angekündigt - heute beginnt das 12-Oaks-Adventsspiel. Die erste Frage habe ich eingestellt und freue mich über jeden, der mitmacht: http://www.12oaks-ranch.de/news/ Gruß Nicola

HIER IST DIE PLAYLIST VON MAYS EINREITEN BZW. DER VORBEREITUNG - darunter noch mehr Bilder:







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