Montag, 18. April 2016

Mehr als nur eine Horsenality: Cusp, bipolar und tripolar

Beim letzten Mal hatte ich Euch die Horsenalitys nach Parelli vorgestellt. Eine tolle Sache - es gibt sogar einen Fragebogen, den man ausfüllen kann, wenn man wissen will, wie das eigene Pferd tickt. Wenn man den ausfüllt, kann es passieren, dass man am Ende das Gefühl hat, genauso schlau wie vorher zu sein, denn möglicherweise hat man Punkte in allen vier Quadranten, aber manche sind vielleicht eher mild (innerer Kreis) und andere extrem (äußerer Kreis), so dass man bei genauerem Hinsehen doch eine Tendenz feststellen kann oder sich die meisten (Extrem-)Punkte vielleicht auf zwei Quadranten verteilen. Wenn diese beiden Quadranten nebeneinander liegen, dann nennt man das "Cusp":



Ich hatte z.B. für Lucky (Foto: Trinken mit Queenie) einmal einen Test bei Parelli gemacht, also eigentlich zwei. Den ersten habe ich so ausgefüllt, wie Lucky war, als wir ihn bekommen haben und den zweiten, so wie er jetzt ist. Der Erste hatte das Ergebnis: Right Brain Extrovert cusp Left Brain Extrovert, aber über die Jahre hat Lucky sich zu einem reinen Left Brain Extrovert entwickelt, der nur noch selten auf die Right Brain Seite rutscht. Das hat ein zweiter Test ergeben. Wenn man sich Luckys Fragebogen im ersten Test angesehen hat, dann hätte man auch denken können, er sei tripolar, denn es gab auch ein paar Punkte beim Right Brain Introvert. Da rutscht er nämlich hin, wenn man ihn entweder wie ein rohes Ei behandelt oder aber auch zu viel Druck auf ihn ausübt.
Es gibt auch Humanality-Tests bei Parelli. Den habe ich gemacht und bei mir gibt es Punkte in allen Quadranten, aber fast alle mild, bis auf ein paar im RBE-Quadrant (der Bereich, wo Leute entweder quasseln wie ein Wasserfall oder versuchen, es jedem recht zu machen). Dieses "Zentriert-Sein", wenn die Punkte nach innen rutschen, ist übrigens genau das, was man auch beim Pferd erreichen will. (Einen Bericht über Larissas Humanality könnt ihr im Partner-Blog lesen).
Unser kleiner Cisco ist als Left Brain Introvert geboren, also ein selbstbewusstes Pferd, das sich ungern bewegt. Es sei denn, er spielte mit Lucky, dann war er immer schon ein verspielter Extrovert - aber mit Menschen: Kein Bock. Es hat Jahre gedauert, bis er seine verspielte Seite auch mit mir zeigte. Besonders beim Galopp: Der wurde erst besser, als ich konsequent den Leitspruch "Mach ein Spiel draus" beherzigt habe. Denn zwingen lässt Cisco sich nicht, aber ohne einen gelegentlichen Klaps kommt man eben auch nicht aus - das ist einfach die Kunst: Dem Pferd im Spiel ein Leader zu werden - eben so, wie Pferde es untereinander regeln.
Als wir Ciscos Mutter Indi bekommen haben, war sie ein extremer Right-Brain-Introvert, die bei Angst regelrecht eingefroren ist oder auch gelegentlich "explodierte", wenn man zu viel Druck gemacht hat. Mit der Zeit wurde sie immer selbstbewusster und zeigte immer häufiger Left-Brain-Extrovert-Tendenzen. Das nennt man dann bipolar, weil die Charaktere sich in der Grafik gegenüber liegen.
Queenie ist beim Reiten introvert und am Boden extrovert - also cusp wie Lucky (und auch Fancy), aber nicht in der Extrovert-Hälfte des Fragebogens, sondern auf der Left-Brain-Seite.
Es wird Euch somit nicht wundern, dass sich die Right-Brain-Introvert-Tendenzen des Tinkers Jaspers (1. Blogbeitrag im April) nur in den ersten beiden Unterrichtseinheiten gezeigt hat. Danach zeigte er Seiten, die mich sehr stark an Cisco vor ein paar Jahren erinnert haben. Ein Left-Brain-Introvert wie er im Buche steht. Dabei zeigte Jasper noch nicht einmal ein anderes Verhalten als bei unserer ersten Begegnung, sondern hatte beim gleichen Verhalten einfach eine andere Körpersprache: Denn es gibt in der Tat jedes Verhalten sowohl als Left-Brain als auch Right-Brain-Verhalten: Ein gezielter, wohlüberlegter Tritt steht hier dem unkoordinierten Tritt aus der Panik gegenüber. Das eine Pferd rennt um sein Leben, das andere rennt, weil es ihm Spaß macht.
Aber wie jetzt das Eine vom Anderen unterscheiden? Eigentlich ganz einfach: Der Schlüssel ist die Körpersprache. Right Brain Pferde werden steif und verkrampft: Kein Ohrenspiel, angespannte Muskulatur ... sie stehen also regelrecht unter Strom. Left Brain Pferd erkennt man daran, dass ihre Augen blinzeln, sie Ohrenspiel haben und oft genug sieht man auch eine entspannte, hängende Unterlippe und ein Pferd in Dehnungshaltung, dass den Kopf entspannt fallen lässt. Deswegen funktioniert die Gymnastizierung im Natural Horsemanship nicht nur, indem man das Pferd körperlich beeinflusst, sondern, sondern auch über die so genannte emotionale bzw. mentale Versammlung (ein Artikel hierzu erscheint im Mai hier im Blog).
Der Right Brain Introvert ist wohl am Schwierigsten zu erkennen, denn er versteckt sich oft in allen vier Horsenality-Quadranten. Wenn es sich also so gar nicht zuordnen lässt, ist es meistens ein RBI. Klingt alles ganz schön kompliziert, ist es aber eigentlich nicht, wenn man sich ein wenig damit beschäftigt und sich herein gefunden hat ins Thema.
Wer mehr dazu lesen möchte, findet in den nächsten Tagen hier an dieser Stelle noch zwei Berichte über Queenie als Jungpferd, die zwischen Left-Brain-Introvert und Left-Brain-Extrovert wechselt und einen Artikel von mir zum Thema "Umgekehrte Psychologie", die man vor allem bei Left Brain Introverts anwendet. Bei Left Brain Extroverts ist es gut, wenn man auch mal (!!!) bereit ist, ein wenig die Kontrolle zu verlieren und dem Pferd das Gefühl gibt: "Du bist nicht mein Sklave und es gibt Gelegenheiten, wo ich auch Dich einmal bestimmen lasse." Wer bei Facebook Mitglied in der Gruppe Natural Horsemanship Students ist, findet dort in den Gruppen-Dateien einige Artikel über Horsenalitys - wirklich ein spannendes Thema. So spannend, dass ich es sogar beim letzten 12-Oaks-Adventsspiel mit eingebaut habe:
Hier findet ihr die Erklärungen unserer Adventsspiel-Gewinner zu den Horsenality-Strategien (dort fast bis nach ganz unten scrollen) und hier den Fragebogen.
Da das natürlich alles nur Bruchstücke zum Thema sind, empfiehlt es sich DVDs im Shop von www.parelli.com zu kaufen oder als Einstieg die Thematik auf der Seite der deutschsprachigen Instruktoren nachzulesen:

http://www.parelli-instruktoren.com/de/horsenality-pferdepsychologie/

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