Vor einem Jahr bin ich mit meiner Bodenarbeitsschülerin Jacky zu einem Infonachmittag zum Thema Jungpferdeeinreiten nach Gackenbach gefahren. Parelli-Instructor David Zünd hat bei zwei Pferden gezeigt, wie das Einreiten funktioniert, wenn es auf Parelli-Art geschieht. Auch wenn Larissa und ich seinerzeit bei Queenie vieles genauso gemacht haben , gab es dennoch den einen oder anderen Aha-Effekt. Es ist ja wichtig, wirklich einen Schritt nach dem anderen zu machen und keinen Schritt auszulassen z.B. erst mit einem Tuch am Stick über der Sattellage etwas zu simulieren, was zumindest schemenhaft nach Reiter aussieht. Faszinierend fand ich insbesondere das Allover-Friendly Game, wo der Mensch zunächst ohne Sattel auf dem Rücken des Pferdes hockt und auch die Tatsache, dass in den ersten Tagen nur mit einem Zügel geritten wird, damit man nicht versehentlich an beiden Zügeln zieht, um das Pferd zu biegen bzw. damit anzuhalten. Im Anschluss durfte man Fragen stellen und bei Jackys Frage war auch ich mehr als ratlos, weil ihr Pferd verletzt ist und nur Schritt gehen darf und entsprechenden Bewegungsdrang hat. Da ist es wirklich schwierig, ein Pferd ins Gleichgewicht zu bringen, was rennen will, aber nicht rennen darf. Und genau das hat David auch gesagt: „Schwierig.“
Er hat dennoch vorgeschlagen, dass man den jungen Wallach beim Führen im Schritt stellen und biegen könnte. Etwas besser, als das, was ich vorgeschlagen hatte (Zirkuslektionen), weil ausgerechnet ein Vorderbein verletzt ist. Wenn ich Jacky das nächste Mal sehe, muss ich ihr von Babette Teschens Longenkurs erzählen.
Na ja, aber was meine eigenen Pferde betrifft, bin ich ja manchmal wirklich ein wenig betriebsblind und bin immer froh, wenn ich auf Info-Nachmittagen oder Messen andere mit meinen Fragen löchern kann. Ich hatte schon vor drei Jahren mal mit David Zünd auf der Equitana gesprochen. Damals ging es um Queenies Mutter Fancy (ein Right Brain Extrovert) und ich bin heute noch fasziniert, wie gut er sie nur aufgrund meiner kurzen Beschreibung eingeschätzt hat und wie gut der Tipp funktioniert hat, den David Zünd mir damals gegeben hat: Es ging darum, dass sie ihre Emotionen verarbeiten kann, wenn sie Runde um Runde auf dem Zirkel laufen kann (ob schneller Trab oder Galopp). Entscheidend ist da aber, dass man sie dabei in Ruhe lässt: Eben Circling Game statt Longieren.
Aber Fancy gab es damals ja nicht alleine, einige Wochen nach diesem Gespräch kam Fancys Tochter Queenie zur Welt, die ja auch mittlerweile eingeritten ist und sich (so wie Larissa sie beschreibt) immer zwischen zwei Extremen bewegt: Entweder lernt sie etwas in rasender Geschwindigkeit und mit Feuereifer und alles ist so leicht und unkompliziert, dass man es gar nicht glauben kann. Wenn ihr aber etwas zu anstrengend oder auch zu langweilig ist, dann sagt Queenie „Nein“ und zwar klipp und klar und ohne Wenn und Aber. Bei den Arten des „Nein“-Sagens lässt sie nichts, aber auch rein gar nichts aus. Das erste Nein äußerte sie z.B. durch Bocken, dann war sie wieder monatelang das bravste Pferd, da sie gemerkt hatte, dass sie Larissa mit Bocken nicht sonderlich beeindrucken kann. Ende des Jahres hat sie ihr Talent im Steigen unter dem Reiter unter Beweis gestellt, wobei wir nicht wissen, ob sie Ambitionen zum Zirkuspferd hat oder einfach nur mitteilen wollte, dass Trabvolten in Versammlung in ihren Augen einfach sinnlos sind, da man einen Spin schließlich auch ohne diese Vorbereitung machen könne. Queenie ist es nämlich egal, auf welchem Fuß sie dreht. Als Steigen auch nicht gerade die Endlösung von Queenies Problem wurde und sie fand, dass vier Wochen lieb und nett sein, mehr als ausreichend für ein Pferd mitten in der Pubertät sind, hat sie sich Samstag kurzerhand mitten in der Volte mitten im Schnee hingelegt: Eine Strategie, die sie als Jungpferd auch bei der Bodenarbeit gelegentlich eingesetzt hatte und das sogar aus dem Trab. Andererseits waren so viele andere Dinge bei ihr so mühelos wie noch bei keinem anderen unserer Pferde: Sie läuft immer in Dehnungshaltung, in astreiner Trüffelschwein-Manier und ob Showmanship oder Horsemanship: Sie macht es ohne mit der Wimper zu zucken. Beim Trail kann sie selbst Galoppstangen schon besser als ihre Mutter – alles in allem: Riesenspaß für unser Riesenbaby. So weit die Zusammenfassung, die ich David gestern erzählt habe. Ich war wieder völlig von den Socken, wie schnell er Ideen hatte, wie man Auswege aus Queenies gelegentlicher Lustlosigkeit finden kann, die gar nicht so kompliziert klingen. Erstens: Wenn man das Pferd immer nur versammelt, wenn danach der Spin kommt, ist das psychologisch und taktisch ein wenig unklug. Und so schön das ja ist mit dem langen Zügel im Westernreiten – für Queenie ist: Jetzt ist erst mal mehr Finesse-Reiten angesagt, so sein Rat. Larissas Kommentar, als ich ihr abends davon erzählte: „Und was meinst Du, was ich die ganze Zeit mit der mache?????“ Wie praktisch, dass ich mehr als nur einen guten Rat vom Seminar mitgenommen habe. Es waren gleich drei an der Zahl, womit wir beim „Zweitens“ wären: Wenn ein Pferd beim Spin auf dem falschen Bein dreht, denkt es meist rückwärts statt vorwärts. David hatte aus dem Stehgreif sogar einen Tipp, was man gegen das Verlehnen machen kann, was zum Drehen auf dem falschen Fuß führt: Kruppeherein auf der Volte und immer, wenn das Pferd kurz auf dem inneren Bein steht: ab nach vorne in die Vorwärtsbewegung. Das fand sogar Larissa toll, die eine verwandte Übung auch einmal bei unserem verstorbenen Trainer Marko gelernt hat, wo wir mutmaßten: Vielleicht ist das genau der fehlende Zwischenschritt, den Queenie braucht.
Gesagt, getan: Heute morgen im Schnee ab auf die Volte und rein ins Kruppeherein. Es war wirklich erstaunlich, wie schnell Queenie die Übung verstanden hat, auch wenn es nur ein, zwei Schritte waren, den sie auf dem inneren Bein drehte. Ihre Mutter Fancy hat sich etwas schwerer getan, aber mit ihren elf Jahren ist sie ja umgerechnet quasi in meinem Alter und ich lerne auch nicht mehr ganz so schnell wie damals als Jugendliche, wenn nicht zuweilen gar erschreckend langsam. Dennoch nach fünf Minuten kam der erste kleine Versuch auch von Fancy in die richtige Richtung (also 0,75 Sekunden inneres Bein), worauf Larissa direkt runtergehüpft ist: Pause und im Anschluss kollektiv die Seelen im Gelände baumeln lassen.
Dort habe ich Larissa dann noch das „Drittens“ erzählt. David hatte mich nämlich nach Queenies Horsenality gefragt (das sind die Pferdepersönlichkeitstypen nach Parelli) und ich habe wie aus der Pistole geschossen, geantwortet: „Left brain EXTROvert“, worauf David (ebenfalls wie aus der Pistole geschossen) fragte: „Am Boden LBE und unterm Sattel Left Brain INTROvert??“ Wow. Das stimmt. Es fiel mir wie Schuppen von den Augen. Es musste offenbar nur irgend jemand das Kind einmal beim Namen nennen und als es einmal ausgesprochen war, hat Larissa beim Ausritt prompt noch einen drauf gesetzt: Queenie hatte sich nämlich erschreckt und hat auf ihre ganz eigene Art die Flucht ergriffen, die Larissa folgendermaßen beschrieben hat: „Queenie hat sich erschrocken und ist losgetrabt, taaaadammm… laaange Pause taaaaadamm… noch längere Pause.“ Es gibt ja Leute, die so etwas Pleasure-Trab nennen: Bei Queenie war das aber eine wilde Flucht vor dem Feind, um Abstand zu selbigen zu bekommen. Nach etwa einer gefühlten Minute hatte sie den Abstand dann auf ungefähr acht bis zehn Meter hergestellt und schlurfte beruhigt wieder vor sich hin. Da Queenie und Larissa bei mir auf jedem Ausritt mit dem Begriff „Schneckenpost“ aufgezogen werden, frage ich mich, wieso ich im Brustton der Überzeugung „Extrovert“ gebrüllt hatte – na ja, wie gesagt: Beim eigenen Pferd hat man gelegentlich Tomaten auf den Augen und schaut durch rosarot getönte Brillen auf Tatsachen, die jedem anderen sofort ins Auge springen.
© Nicola Steiner
Mehr von Queenie finden Sie im hier im Blog im Themenmonat Queenie (Dezember).
Larissa hingegen wird im April im Partnerblog vorgestellt: steiner-horsemanship.blogspot.de
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