Donnerstag, 19. Oktober 2017

Von Stürzen, steigenden Pferden und Tränen der Rührung

Was tun mit selbstbewussten Pferden? Ideen muss man haben


In den letzten Beiträgen habt ihr ja am Rande auch unsere Queenie kennengelernt und die hat es faustdick hinter den Ohren. Vor einigen Tagen bin ich wegen einem dummen Zufall mit ihr gestürzt und mein Bein lag unter ihrem Bauch. Ich dachte: "Geh hoch" und sie hat tatsächlich reagiert. Dann sah ich, dass mein Fuß im Steigbügel hängt und ich dachte: ""Geh runter" und sie hat das ebenfalls gemacht - rauf und runter nur über Gedanken - irre. Mit Queenies Mutter hatte ich noch erstaunlichere telepathische Erlebnisse, die ihr HIER nachlesen könnt: Ohne Worte - Verständigung durch Raum und Zeit. 
Inga mit einem ihrer eigenen Pferde, aber nicht das, was sie an
Queenie erinnert. Dieses hier will immer gefallen
Aber bei Queenie war ich wirklich verblüfft, denn sie hat sich früher einen Namen dadurch gemacht, dass sie regelrecht streitsüchtig war, aber mit Charme, denn sie ist auch eine kleine Herzensbrecherin. Neulich hat sie eine Kundin von mir zu Tränen gerührt, die sie ansah und unter Tränen sagte: "Die ist so schön." Ich fand das in dem Fall besonders berührend, weil die Kundin eigentlich Zirkuslektionen bei mir lernen wollte und ich versucht habe, ihr zu erklären, dass man das nicht entkoppeln sollte, denn egal, was man mit seinem Pferd macht: Die Beziehung steht immer an erster Stelle. Die Kundin sagte mir, dass sie eine gute Beziehung zu ihren Pferden hat und als sie Sekunden später Tränen der Rührung in den Augen hatte, dachte ich bei mir: Queenie hat sich auf ihre Art ebenfalls mit uns unterhalten und gezeigt, wie tief eine Pferd-Mensch-Beziehung sein kann. Wenn man die hat, sowohl auf Vertrauen als auch auf Respekt beruhend, dann kann man selbst so einen Sturz ohne große Angst wegstecken, weil man weiß, dass man sich jederzeit auf den anderen verlassen kann (ich werde die matschige Ecke am Reitplatz allerdings meiden).
Beziehung muss natürlich gegenseitig sein, deswegen ist es auch so wichtig nichts beim Pferd zu erzwingen (ob mit oder ohne Fußlonge). Gerade bei selbstbewußten Pferden ist es sogar absolut wichtig, dass man sie nicht zu sehr bevormundet. Man braucht Grundgehorsam, was ich in TEIL 1 (Mit der Schaufel Pferd ohnmächtig geschlagen) und TEIL 2 (Wahl zwischen Pest und Cholera: Klaps oder Pferde fesseln) dieser Mini-Serie erklärt habe, aber wenn man diesen Grundgehorsam hat, dann sollte man selbstbewussten Pferden so viele Mitspracherechte wie nur möglich einräumen, denn dann geschehen wahre Wunder. Nachzulesen bei: Umgekehrte Psychologie bei Pferden.

Hier lernt Queenie das Kompliment - ohne Longe, denn ihr habt sicherlich
im letzten Monat gelesen, dass ein Pferd zu Tode gestürzt ist: HIER klicken
Nach dem Sturz letzte Woche hat Queenie mich jedenfalls mehr oder weniger von Kopf bis Fuß abgeleckt, als wollte sie sagen: "Das wollte ich nicht." Mein Sohn sagt eh immer, die passt auf mich auf, aber meine Tochter ist da schon eher ein ebenbürtiger Partner für Streitereien, die kann das aus Queenies Sicht ab. So gab es bei ihr auch einmal Zeiten, wo Queenie regelmäßig unter dem Reiter gestiegen ist. Queenie beherrscht Parellis sieben Spiele nämlich aus dem Eff-Eff und hat schon als Fohlen Leute getreten, wenn diese auch nur einen Zentimeter ausgewichen sind. Nachdem es durch Natural Horsemanship dann doch ein einigermaßen braver Jährling geworden war, gingen die Probleme beim Einreiten wieder los. Alle paar Monate kam dieses Pferd auf die Idee uns mitzuteilen, dass es gerade keinen Bock hat: Mal durch Buckeln, was Larissa schnell im Griff hatte, dann durch sich einfach Hinlegen oder Stehenbleiben, was wir noch schneller im Griff hatten und nach einigen recht harmonischen Monaten, kam das Pferd auf die Idee unterm Sattel kerzengerade zu steigen und ist einmal dabei sogar nach hinten rüber gekippt. Wie gefährlich das nicht nur für den Reiter, sondern auch fürs Pferd ist, wissen wir ja jetzt (HIER geht es zu Teil 3: Pferd zu Tode gestürzt, weil es Kompliment und Fußlonge verweigert), aber dieses Problem hatten wir nicht so schnell im Griff, weil man in dem Moment statt angemessen zu reagieren, versucht einen Sturz zu vermeiden und das eigene Leben zu retten.
Anstatt jetzt aber dem Pferd den Krieg zu erklären, öffnen wir in solchen Fällen unseren Werkzeugkoffer und versuchen das Pferd über Psychologie von diesem gefährlichen Verhalten abzubringen. Es gibt da eine Methode, die besagt, dass bei manchen Pferden ein unerwünschtes Verhalten verschwindet, wenn man dieses abrufbar macht. Es hat funktioniert, das Pferd ist danach nie wieder gestiegen, aber ich bin auf die dumme Idee gekommen, diese Methode mit der Pferdewelt zu teilen, weil diese ja auch bei anderen unerwünschten Verhaltensweisen funktioniert. Ich wurde virtuell gesteinigt: "Das arme Pferd hat Stress, Steigen kann man auch anders beibringen." Ja, das kann man, aber dann hat es nicht den Effekt, dass das Steigen unterm Sattel verschwindet. Hier das Video:


Möhre statt Longe
Ich bin nach wie vor fassungslos, dass es Facebook-Nutzer gibt, die das vollkommen okay finden, ein Pferd zu fesseln, aber bei einer wedelnden Gerte gleich von Gewalt reden. Es sind nicht alle Pferde gleich, deswegen ist Schwarz-Weiß-Denken völlig fehl am Platz. Jetzt, wo Queenie sechs ist, binden wir sie auch gelegentlich beim Longieren aus: Fünf Minuten pro Seite mit zwei Minuten Pause dazwischen, weil sie sich schwer damit tut, sich versammeln zu lassen und weil es für sie akzeptabel ist - das ist doch der springende Punkt: Wie reagiert das Pferde auf jedwede Methode?
Weil es wirklich immer darauf ankommt im Pferdetraining, ist es sinnvoll, Probleme im Sattel am Boden zu lösen und manchmal - nicht immer - hilft auch das Ignorieren, was wir in diesem Video zeigen. Auch hier hat das Pferd am nächsten Tag bereitwillig Richtungswechsel im Galopp gemacht, die immer dann als fliegend zu bezeichnen sind, wenn dazwischen weder Trab noch Schritt ist. Aber auch hier wurde ich von der Facebook-Community belehrt: "Das ist gar kein fliegender Wechsel, sondern nur ein Richtungswechsel."


Da diese Damen offensichtlich nicht auf die Beine des Pferdes geschaut haben und wohl auch einen fliegenden Wechsel gar nicht erst als solchen erkennen, mangels Grundwissen im Pferdebereich, habe ich sie gebeten, doch mal Videos von sich selbst zu zeigen, wie sie es besser machen.
Die eine sagte, es lädt gerade hoch und - oh Wunder - hat doch das Hochladen nicht geklappt, die andere behauptete, dass es in besagter Gruppe jede Menge Videos von ihr gebe. Sie würde das aber nicht verlinken, müsste ich selbst suchen, habe ich gemacht, indem ich mit der Suchfunktion ihren Namen eingegeben habe: Ich fand nur jede Menge Kommentare von ihr, wo sie andere Gruppenmitglieder in Grund und Boden kritisiert hat, aber nicht ein Video. "Die sind halt älter", erhielt ich zur Antwort, aber die Suchfunktion findet doch auch uralte Kommentare, bin wohl zu blöd. Eine weitere sagte, ihr Pferd sei noch jung, sie wären noch nicht so weit.
Okaaay, also ich habe mit Queenie schon Bodenarbeit gemacht, als sie noch ganz klein war. Nicht viel, aber so viel, dass sie nicht ständig unsere Besucher vermöbelt, wenn diese es wagten, ihrem Fohlenschnütchen einen Zentimeter auszuweichen. Als Jährling habe ich dann auch mal eine Viertelstunde mit ihr am Boden gespielt und als Dreijährige konnte sie am Boden fliegend wechseln (ach Quatsch, ist ja kein fliegender Wechsel, ich Depp), wenn sie es wollte, was immer dann war, wenn ich es gerade nicht wollte und vice versa. Und diese Leute stellen auf Facebook Regeln fürs Pferdetraining auf. Ist das nicht erschreckend? Mir gefällt nur eine Regel und die lautet:

"Es kommt nicht so sehr darauf an, WAS man tut, sondern WIE man es tut, WANN man es tut und vor allem WARUM man es tut" (Pat Parelli)

Falls ihr mehr Geschichten über Queenies Streiche aus ihrer Jugendzeit lesen wollt, dann werdet ihr in meinen Büchern fündig und da gibt es einige über dieses streitsüchtige, aber auch charmante Jungpferd. Denn wenn der eine Streit beendet ist, zettelt sie gerne den nächsten an. Wie man damit umgeht, könnt ihr in einer Geschichte lesen, die auch im Pferde-vermenschlichen-Buch enthalten ist. Alle anderen Queenie-Schandtaten findet ihr in "Westernreiten meets Natural Horsemanship", wo ihr auch nachlesen könnte, wie wir die Probleme bei den anderen Fotos gelöst haben, die ihr in den Fotos seht.



Für Kurzentschlossene: Es sind noch Plätze frei bei unseren Reitferien, die morgen beginnen:



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